So lange sie noch lebten, Siegmund und Siegelind,
Wollte nicht Krone tragen der beiden liebes Kind;
Doch wollt er herrlich wenden alle die Gewalt,
Die in den Landen fürchtete der Degen kühn und
wohlgestalt.
46 Ihn durfte Niemand schelten: seit er die Waffen nahm,
Pflag er der Ruh nur selten, der Recke lobesam.
Er suchte nur zu streiten und seine starke Hand
Macht’ ihn zu allen Zeiten in fremden Reichen
wohlbekannt.
47 Den Herrn beschwerte selten irgend ein Herzeleid.
Er hörte Kunde sagen, wie eine schöne Maid
Bei den Burgunden wäre, nach Wünschen wohlgethan,
Von der er bald viel Freuden und auch viel Leides gewann.
48 Von ihrer hohen Schöne vernahm man weit und breit,
Und auch ihr Hochgemüthe ward zur selben Zeit
Bei der Jungfrauen den Helden oft bekannt:
Das ladete der Gäste viel in König Gunthers Land.
49 So viel um ihre Minne man Werbende sah,
Kriemhild in ihrem Sinne sprach dazu nicht Ja,
Daß sie einen wollte zum geliebten Mann:
Er war ihr noch gar fremde, dem sie bald ward unterthan.
50 Dann sann auf hohe Minne Sieglindens Kind:
All der Andern Werben war wider ihn ein Wind.
Er mochte wohl verdienen ein Weib so auserwählt:
Bald ward die edle Kriemhild dem kühnen Siegfried
vermählt.
51 Ihm riethen seine Freunde und Die in seinem Lehn,
Hab er stäte Minne sich zum Ziel ersehn,
So soll er werben, daß er sich der Wahl nicht dürfe
schämen.
Da sprach der edle Siegfried: «So will ich Kriemhilden
nehmen,
52 Die edle Königstochter von Burgundenland,
Um ihre große Schöne. Das ist mir wohl bekannt,
Kein Kaiser sei so mächtig, hätt er zu frein im Sinn,
Dem nicht zum minnen ziemte diese reiche Königin.»
53 Solche Märe hörte der König Siegmund.
Es sprachen seine Leute: also ward ihm kund
Seines Kindes Wille. Es war ihm höchlich leid,
Daß er werben wolle um diese herrliche Maid.
54 Es erfuhr es auch die Königin, die edle Siegelind:
Die muste große Sorge tragen um ihr Kind,
Weil sie wohl Gunthern kannte und Die in seinem Heer
Die Werbung dem Degen zu verleiden fliß man sich sehr.
55 Da sprach der kühne Siegfried: «Viel lieber Vater mein,
Ohn edler Frauen Minne wollt ich immer sein,
Wenn ich nicht werben dürfte nach Herzensliebe frei.»
Was Jemand reden mochte, so blieb er immer dabei.
56 «Ist dir nicht abzurathen,» der König sprach da so,
«So bin ich deines Willens von ganzem Herzen froh
Und will dirs fügen helfen, so gut ich immer kann;
Doch hat der König Gunther manchen hochfährtgen
Mann.»
57 «Und wär es anders Niemand als Hagen der Degen,
Der kann im Uebermuthe wohl der Hochfahrt pflegen,
So daß ich sehr befürchte, es mög uns werden leid,
Wenn wir werben wollen um diese herrliche Maid.»
58 «Wie mag uns das gefährden!» hub da Siegfried an:
«Was ich mir im Guten da nicht erbitten kann,
Will ich schon sonst erwerben mit meiner starken Hand,
Ich will von ihm erzwingen so die Leute wie das Land.»
59 «Leid ist mir deine Rede,» sprach König Siegmund,
«Denn würde diese Märe dort am Rheine kund,
Du dürftest nimmer reiten in König Gunthers Land.
Gunther und Gernot die sind mir lange bekannt.»
60 «Mit Gewalt erwerben kann Niemand die Magd,»
Sprach der König Siegmund, «das ist mir wohl gesagt;
Willst du jedoch mit Recken reiten in das Land,
Die Freunde, die wir haben, die werden eilends besandt.»
61 «So ist mir nicht zu Muthe,» fiel ihm Siegfried ein,
«Daß mir Recken sollten folgen an den Rhein
Einer Heerfahrt willen: das wäre mir wohl leid,
Sollt ich damit erzwingen diese herrliche Maid.»
62 «Ich will sie schon erwerben allein mit meiner Hand.
Ich will mit zwölf Gesellen in König Gunthers Land;
Dazu sollt ihr mir helfen, Vater Siegmund.»
Da gab man seinen Degen zu Kleidern grau und auch bunt.
63 Da vernahm auch diese Märe seine Mutter Siegelind;
Sie begann zu trauern um ihr liebes Kind:
Sie bangt’ es zu verlieren durch Die in Gunthers Heer.
Die edle Königstochter weinte darüber sehr.
64 Siegfried der Degen gieng hin, wo er sie sah.
Wider seine Mutter gütlich sprach er da:
«Frau, ihr sollt nicht weinen um den Willen mein:
Wohl will ich ohne Sorgen vor allen Weiganden sein.»
65 «Nun helft mir zu der Reise nach Burgundenland,
Daß mich und meine Recken ziere solch Gewand,
Wie so stolze Degen mit Ehren mögen tragen:
Dafür will ich immer den Dank von Herzen euch sagen.»
Abenteuer 3
Wie Siegfried nach Worms kam
66 «Ist dir nicht abzurathen,» sprach Frau Siegelind,
«So helf ich dir zur Reise, mein einziges Kind,
Mit den besten Kleidern, die je ein Ritter trug,
Dir und deinen Degen: ihr sollt der haben genug.»
67 Da neigte sich ihr dankend Siegfried der junge Mann.
Er sprach: «Nicht mehr Gesellen nehm ich zur Fahrt